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Nie wieder...

  • Matthias Blümel
  • 28. Juni 2021
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 1. Juli 2021

Seit einer Weile bin ich ein Kirchengänger. Mein Freund und Partner ist seit Anfang diesen Jahres Pastor in einer kleinen Gemeinde hier in Hamburg. Die Gemeinde ist eine evangelische und setzt sich ein für sexuelle Minderheiten.

Der Glaube, an sich, hat mich schon immer fasziniert und auch inspiriert. Wobei, bei mir nicht die Personifizierung, Gott, im Vordergrund steht, sondern der Halt und die Wegweisung. Ich kann mich noch sehr gut an unseren ersten gemeinsamen Gottesdienst erinnern. Dieser muss 2018 zu Ostern gewesen sein. Dieser hat mir überhaupt nicht gefallen. Ich konnte mich auch nicht wiederfinden in dem Gesagten. Ich fand es wirklich schrecklich. Nie wieder wollte ich mir das antun.

Mein Partner hat durch Zufall herausgefunden, dass die MCC-Basisgemeinde Hamburg einen neuen Pastor sucht. Wir fanden, dass er sich unbedingt bewerben soll. Er ist studierter Diplom-Theologe und arbeitet als Hochzeits- und Trauerredner. Seine Reden, mit dem Bezug zum Glauben, und auch ohne, sind für mich greifbar und erreichen mich. Ich kann damit was anfangen und mich damit identifizieren. Die MCC (Metropolitan Community Church) ist eine kleine Gemeinde in St. Georg (gewesen). Jetzt ist die Gemeinde in der Frohbotschaftskirche in Dulsberg.

Meine Bedenken waren zuerst, dass diese doch ein wenig spooky, oder auch sektenartig ist. Ich habe mich ganz bewußt nicht über die Gemeinde informiert, weil ich mir mein eigenes Bild machen wollte.

Mein Freund hatte dann im letzten Jahr seinen Probegottesdienst, zu dem ich auch eingeladen war und auch unbedingt dabei sein wollte. Er war so sehr aufgeregt. Die Gemeinde hatte sich am Steindamm gemütlich in einem Bürohaus eingerichtet.

Der Gottesdienst war wirklich sehr gut. Seine Predigt hat mich, und scheinbar auch alle anderen, erreicht. Für mich stand fest, wenn er der Pastor wird, werde ich Kirchengänger. Letztendlich hat sich der Kirchenvorstand der Gemeinde für meinen Freund entschieden.

Sein Einstieg war nicht unbedingt einfach. Aufgrund der pandemischen Lage in Deutschland mussten wir sehr kreativ sein, Gottesdienste zu planen und abzuhalten. Wir entschieden uns für die "Wohnzimmer-Variante".

So saßen wir manchmal und überlegten: "Wie machen wir das?". Wir luden Musiker zu uns nach Hause ein, oder wir waren bei den Musikern im Wohnzimmer und drehten unsere Filme.

Jedes Mal freuen wir uns über die vielen positiven Rückmeldungen.


Am 27.06.2021 war es soweit, dass die MCC ihren jährlichen Gottesdienst in der KZ-Gedenkstätte-Neuengamme, zum Gedenken der homosexuellen Opfer des Nationalsozalismus, gab.

Aufgrund der aktuellen Lage meinte ich, dass es nicht reicht wie jedes Jahr den Gottesdienst zu machen. Nein, wir müssen ein Zeichen setzen.

Vor ein paar Tagen entbrannte eine Welle der Empörung und des Entsetzens unser Land. Bei einem Fußballspiel, Deutschland gegen Ungarn, wollte die Stadt München das Stadion in Regenbogenfarben leuchten lassen. In Ungarn wurden Gesetze erlassen, die menschenverachtend und diskriminierend sexuellen Minderheiten gegenüber sind. Die UEFA lehnte dies ab und brachte eine Lawine ins rollen. Es wäre zu politisch bei einem Fußballspiel. Politisch wurde es aber erst nach der Ablehnung. Deutschlandweit leuchteten Regenbogen und Fahnen wehten in diesen Farben im Wind.

Mein Freund hat das Thema in dem Gottesdienst aufgegriffen. Auch wir setzten ein Zeichen und ließen das Rednerpult in Regenbogenfarben leuchten.

Ich finde es erschreckend, in der heutigen Zeit, Angst haben zu müssen seine sexuelle Orientierung zu leben.

Das KZ in Neuengamme, wie auch alle anderen Konzentrationslager, steht für mörderische Lebens- und Arbeitsbedingungen. Insgesamt sind dort 42900 Menschen ums Leben gekommen.

Wenn ich zurück blicke, habe ich mir nie Gedanken über homosexuelle im KZ gemacht. Nach dem gestrigen Gottesdienst ist es mir bewußt. Es klammert sich um mein Herz und erdrückt mich fast. Dieses Leid, diese Angst, der Hunger und die Trauer werden mich nicht mehr loslassen. Was damals passiert ist, darf nicht wieder passieren! Nie wieder! Es kann nicht sein, dass wir Menschen einfach nicht aus Fehlern lernen. Leider ist es so, auch heute noch, dass Menschen, in allen Schichten unserer Gesellschaft, den Nationalsozialismus verherlichen. Wie widerlich! Mich macht das wütend und aber gleichzeitig auch hilflos. Ich allein, und auch ich, mit meinen Freunden und Bekannten, werden das nicht allein lösen können. Wir brauchen die Mehrheit! So, dass wir frei leben können. Keiner muss sich verstecken, weil er denkt anders zu sein. Keiner ist anders als der andere. Wir sind alle Menschen.

Umso trauriger macht es mich, dass es weltweit in der Politik Schritte zurück in die Vergangenheit gibt.


Wir sind "Mensch" auf dieser Erde, wie jeder andere auch, und Liebe und Selbstverwirklichung ist für mich selbstverständlich.


In Liebe

Euer Matthi


Hier der Link zum Gottesdienst

https://m.youtube.com/watch?v=2tT0gca1Yv8&feature=youtu.be


Ich bekam gerade eine SMS von einer Leserin: "Ich sehne die Zeit herbei, in welcher es keines Regenbogens mehr bedarf, weil das Herz als globales Zeichen der Liebe genügt und wir nicht mehr urteilen, wen jemand liebt, sondern wie ernst er oder sie es meint.

Wir werden den Begriff 'Minderheit" durch 'Möglichkeit' ersetzen und es wird keiner Outings mehr bedürfen, weil es nicht mehr von Interesse ist, ob Mann oder Frau.

Und Gott sah, dass es gut war..."

(J. A. H. Hamburg)


 
 
 

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